Ten models in the traction test


Wahrend auf trockenem Asphalt auch Front- und Hecktriebler gut Grip finden, wirds auf Schnee und Eis schon kniffliger. Hier sind die Allradler die Spezialisten. Zehn aktuelle Modelle mit verschiedenen Systemen stellen im Hochgebirge ihre Traktionstalente unter Beweis.

Duftend platschert der Kaffee aus der rochelnden Maschine im Fruhstucksraum des Hotels Alpenrose. Den Gipfel des 2.820 Meter hohen Gaiskogel kitzeln die ersten Sonnenstrahlen. Kuhtai im Otztal erwacht zur diesjahrigen Wintersaison. An einem Tag zum Helden zeugen, zum Spuren ziehen auf verzuckerten, jungfraulichen Pisten. Keine Stunde mehr, dann startet die Kaiserbahn zum Gipfel - ohne uns.

Wir bleiben im schattigen Tal, immer noch uber 2.000 Meter hoch gelegen. Heute wird auf allen Vieren gewedelt. Allradfreuden statt Kanten-Carving, ein 4x4-Test mit zehn Spezialisten steht auf der Tagesordnung. Aufgeteilt in funf Parchen – vom kompakten SUV bis zur edlen Limousine. Alle mit dem Ziel, dem unterkuhlten, schlupfrigen Gelauf mit hochtechnisierten Differenzial-Verzahnungen und mit Geistesblitzen im elektronischen Regelwerk zu trotzen. In Summe warten 2.652 PS, frostgebeutelt von der Nacht, auf ihren traktionsreichen Einsatz. Die Sportler eroffnen den eisigen Tanz.
Audi RS5 bittet Subaru Impreza WRX STI aufs klirrend kalte Parkett. Drehzahlhungrige 450 Sauger-PS treffen auf 300 schnaubende Turbo-Pferde. Und die gehen in dieser Hohe in Schnappatmung uber. Schon beim Beschleunigen japst der Japaner nach Luft. Hat er auf Normalnull den Hang zur Anfahrschwache - im Hochalpinen wirkt das Turboloch wie ein Scheunentor.
Also Drehzahl rauf und ab durch die Mitte, Feuer frei auf festgefahrener Schneedecke. Die Torsensperren packen zu. Der Boxer faucht grantig. Das Heck notigt den Fahrer latent zum Korrigieren. Spurstabilitat sieht anders aus. 8,2 Sekunden von null auf 60 km/h, 47,4 Meter zuruck in den Stillstand - ob das zu vielen Punkten verhilft?
Noch bevor sich das aufgewirbelte Flockendickicht wieder zur Ruhe legt, folgt die Kur. Gut 700 Meter selektiver Handlingparcour fordert Wendigkeit, Agilitat, aber auch Fahrsicherheit. Wie beim Beschleunigen bleiben das ESP im Off-Modus, das Mittendifferenzial auf sportlichster Automatikstellung und der Fahrer gefordert.
Denn der WRX STI scheint dauernd auf der Pirsch, ist schwer zu bandigen. Schwung und Gegenschwung sind allerdings auch notig, um Richtungsanderungen einzuleiten. Banalen Lenkbefehlen folgt er nur widerwillig, schiebt trotzig geradeaus. Bei beherzten Gaseinsatzen frohlockt er dann - allerdings mit einem ausgepragten und lang anhaltenden Ubersteuern. Ein Typ fur Profis.
Der RS5 tut es dem WRX nahezu gleich, wahrend seine V8-Salven dumpf von den Berghangen zuruckhallen. Auch der Audi schiebt uber die Vorderachse, folgt der Tragheit der Masse seines wummernden Achtzylinders, will mit provozierten Lastwechseln in Kurven gezwungen werden. Er zeigt sich jedoch spurstabiler, verzogert besser. Somit rei?t der RS5 die Sportlerwertung an sich, objektiv sowie subjektiv. Weil er auf Schnee-Untergrund mehr Ruhe ausstrahlt. Allerdings wirkt auch der Fahrspa? etwas unterkuhlt.
Dafur erwarmen die kompakten SUV die Fahrerherzen dann umso mehr. Vor allem im Mini Countryman Cooper S juchzen Fahrer und Co. so herzhaft wie sonst nirgends. Lebenslustiger ist keiner im Feld. Gestatten: Mini, Fahrspa?meister, der genau die richtige, beherrschbare Prise Ubersteuertendenz bietet und der beim Verzogern wie beim Beschleunigen verlasslich und sicher bleibt.
Der technisch artverwandte BMW X3 xDrive 20d ist dem kleinen Bruder auf den Fersen. Auch er stiebt quietschfidel durch die wei?e Pracht, lebt fur Dynamik. Gibt sich, wenn‘s ums Bremsen oder Fahrsicherheit geht, aber auch ausgesprochen ruhig. Im direkten Vergleich muss er den Mini ziehen lassen, lediglich bedingt durch seine 184-Diesel-PS in Kombination mit dem deutlich hoheren Gewicht.
Mit der Mittelklasse kehrt die fahrdynamische Gediegenheit ein. VW Passat 2.0 TDI 4motion und Volvo V60 D5 AWD klingen wie Schrebergarten und Wanne-Eickel. Kein Kronenraddifferenzial wie im RS5, kein x-fach manuell einstellbares Mittendiff wie im WRX sind mehr im Spiel. Vergleichsweise schlichte Haldex-Kupplungen trennen und verbinden Vorder- und Hinterachse der Kombis, die beide mit Dieselmotor und Automatikgetriebe (Passat: DSG) antreten. Die Erwartungshaltung an Agilitat sinkt unter die minus 15 Grad Celsius.
Die Durchhalteparolen verstummen jedoch schon nach den ersten Metern. Uberzeugend aktiv agiert die neueste Haldex-Generation. Von wegen Tragheit bei der Momentenverteilung oder Schlafrigkeit im Handling: Die Rundenzeiten strafen die Gusseisernen Lugen. Der Volvo hornt sogar die ausgebuffteste Berggams. Er ist der Schnellste. Mit schwedischer Coolness turnt er um die Pylonen, lenkt spurstabil, drangt im Grenzbereich sanftmutig mit dem Heck. Trotz Abnabelung vom ESP dreht der V60 keine Kapriolen.
Genauso souveran zieht der Passat seine Bahn, obwohl er mit seiner geringeren Leistung nicht an die Handlingzeit des V60 herankommt. Was das Fahrverhalten betrifft, gibt sich der VW ebenfalls keine Blo?e. Gehorsam und angemessen agil spurt der 4motion dahin. Wer ihn zu mehr Sportsgeist notigen will, wird letztlich vom eigentlich deaktivierten ESP doch wieder zur Raison gerufen. Die Fahrsicherheit kostet aber auch Zeit.
Apropos: Zeit, um Mercedes S 350 4Matic und VW Phaeton 3.0 TDI 4motion die Eiszapfen aus den Radhausern zu schutteln. Weder der Traktions- noch der Beschleunigungstest locken die beiden Grandseigneurs aus der Reserve. Sie ruhen in sich - egal ob Benziner (Mercedes) oder Diesel (VW). Apfel gegen Birne? Mitnichten, denn Motorleistung spielt auf dem reibwertreduzierten Untergrund nicht die entscheidende Rolle. Gewicht schon eher, wie sich spater noch zeigen wird.
Uber zwei Tonnen fassen Tritt, stampfen ahnlich engagiert voran wie der Kassbohrer-Pistenbully 300 Hohenmeter uber uns. Mit Macht rammt der S 350 das Profil seiner Conti WinterContact in den murben Schnee. Von null auf 60 km/h erringt er einen Teilerfolg, bietet tatsachlich dem RS5 die frostige Stirn. Er muht sich etwas durch den Slalom. Kein Wunder, bei der Statur, die sich dafur aber spurstabil um die Wechselkurven bewegt. Die Masse bleibt berechenbar, ist auch in winterlichen Gefilden grundsolide – einer Oberklasse absolut wurdig.
Und der einstige Kanzlerwagen? Der gibt sich - ohne Seitenhieb - betont jugendlich. Er tanzt lasziver um die imaginare Hochachse als vor kurzem noch der Passat. Einer der Gattung Slowly Sideways, dessen Fahrverhalten von einem Torsen-Differenzial gepragt wird. Der Phaeton wirkt lebhafter als der Mercedes, marschiert behande durchs Gelande, lasst trotzdem keine Hektik aufkommen, ist trittsicher. Und nicht nur schneller als die S-Klasse. Ein Messfehler? Noch eine Runde. Bestatigt. Beim Handling sorgt der  Phaeton fur eine Uberraschung.
Bugeln die gro?en SUV alles bislang Dagewesene doch noch platt? Die Piste allemal, denn weder Porsche Cayenne V6 noch Range Rover TDV8 lassen sich angesichts des anspruchsvollen Gelaufs beeindrucken. Der Brite sowieso nicht. Er wirkt wie eine Trutzburg auf vier Radern. Wankt als fahrende Festung um den Kurs, bleibt dabei so emotionslos wie der wachhabende London Bobby vor Downing Street Nummer zehn. Mit Fahrspa? durfte der Range so wenig am Hut haben wie die Queen personlich. Aber er steht dazu, nimmt es offensichtlich mit britischem Humor. Im Zentraldisplay wird die Stellung der Vorderachse eingespiegelt: Ein extrem hoher Schraglaufwinkel, aber die Fuhre schiebt stur geradeaus. Ein grafisch hervorragend aufbereiteter Anschauungsunterricht in Sachen Untersteuern.
Dafur brilliert der Range Rover mit einer vorzuglichen Traktion. Den subjektiv bewerteten Steigungshugel (15 Prozent), gepflastert mit unterschiedlichen Reibwerten, rammt er unbeeindruckt unter sich durch. Beim Bremsen machen ihm jedoch seine Goodyear-Reifen einen ahnlichen Strich durch die Rechnung wie bereits beim Subaru beobachtet. Nur kommt jetzt noch hinzu, dass bei immerhin 2,7 Tonnen die Hangabtriebskraft allgegenwartig ist - durchaus auch bei den in der Ebene durchgefuhrten Bremstests.
Am Steilhang nach oben aber jedenfalls gilt: Wahrend der Porsche Cayenne V6 an der Hinterachse noch fur einen kurzen Augenblick Schlupf produziert, hat der Range seine automatisch geregelten Differenziale bereits elektronisch verschwei?t. Der Vorteil ist von kurzer Dauer. Ein Porsche ist ein Sprinter, auch als Cayenne, ein quirliger Fahrdynamiker obendrein. Als hatte er einen Gro?teil seiner 2.170 Kilogramm unten in Otz gelassen, legt er los, bleibt in der Spur wie auf Schienen, gibt ein definiertes Feedback uber den Fahrzustand. Auf Schnee bewegt sich der Cayenne so sicher wie einst Erich Kuhnhackl auf Kufen. Er wuchtet sich beherzt ums Eck, hullt sich in dichten, glanzenden Eispuder, gru?t seinen Fahrer beim Herausbeschleunigen noch mit ein paar Antriebseinflussen in der Lenkung, sturzt uber die Ziellinie und erobert am Ende sogar Gesamtrang zwei.
Ein wurdiger Abschluss. 16 Uhr - die Kaiserbahn hat Dienstschluss. Wir tun es ihr bei mittlerweile minus 17 Grad nach. Zumal sich die Sonne auch schon langer hinter den Pirchkogel verzogen hat. Hochste Zeit also, Resumee zu ziehen und sich vor Augen zu fuhren, dass auch bei Allradlern die Lamellen das Zunglein an der Waage spielen. Da kann die Differenzialtechnik noch so trickreich sein: Wenn der Reifen die ihm zugeteilte Kraft nicht in Vortrieb ummunzt, zieht das Alpenpanorama nur in Zeitlupe voruber. Und wenn sich der Gummi beim Bremsen nur ma?ig verzahnt, kommt der Berg dafur umso naher. An den Bremsanlagen selbst liegt es kaum – auch nicht bei Range Rover und Subaru. Obwohl eine andere Bereifung nicht gleich das ganze Fahrverhalten umkrempelt, nimmt sie auf die objektiven Werte zweifellos Einfluss. Bereits die Geschwindigkeits-Indizes H oder V konnen entscheidend sein fur Grip und Traktion. Aber die auf den Testfahrzeugen montierten Reifen gehoren zum Gesamtsystem wie ein zunftiger Apres zur letzten Talabfahrt. Und den gonnen wir uns nach getaner Arbeit: ein warmes Getrank in der Iglu-Bar. Keinen Kaffee - jetzt einen Gluhwein bitte.
So soll es sein: Eine exklusive, mit komprimiertem Schnee bestens praparierte Spielwiese ist die Basis fur den Handlingtest. Rund 700 Meter lang ist der Parcours und gespickt mit einem kurzen Slalom, einer weitlaufi gen und einer engeren Kehre sowie mit vier schnelleren Wechselkurven. Ein klarer Fall fur die Sportler - sollte man meinen. Aber Leistung ist bei der kniffligen Streckenfuhrung nicht alles. Wendigkeit, ein schnell regelndes Allradsystem, gutes Traktionsvermogen sowie ein moglichst neutrales, beherrschbares Fahrverhalten sind zielfuhrender. Mit diesen Genen konnten vor allem zwei der zehn Probanden besonders glanzen: der Porsche und der Volvo. Alle Fahrversuche fanden - soweit moglich - mit komplett deaktivierten Stabilitatssystemen statt.