The cult box in off-road use

Legende, neuester Stand: der kurze Defender mit Ford-Diesel und Sechsganggetriebe. Ist der Land Rover Defender 90 Td4 der absolute King im Gelande? Kraxelt der neue Defender besser durchs Gelande als der bisherige? Der Supertest klart auf.

Unterboden Alles beim Alten? Nicht ganz. Die frohe Botschaft vorweg: Der Defender ist unten dicht. Zumindest unser Testwagen verlor nirgends auch nur ein winziges Tropfchen Ol. Langjahrige Landy-Fans wissen diese Botschaft zu wurdigen. Durch die unveranderte Bauweise bleibt es bei der beschadigungsgefahrdeten Spurstange, die bei unvorsichtiger Fahrweise beispielsweise durch gro?e Steine deformiert werden kann. Der Auspufftopf ragt deutlich aus dem ­Rahmen heraus und kann in un­weg­samem Gelande dadurch ebenfalls Schaden nehmen. Die riesigen Schmutzlappen hinten laufen bei Ruckwahrtsfahrt in ­Verschrankungspassagen Gefahr, ­unter die Rader zu kommen. ­Argerlich: Die Kraftstoffleitungen, die an der Innenseite des Rahmen-Langstragers offen verlegt sind, konnen schon beim Uberfahren von Asten verletzt werden. Ein Schutzblech bringt hier Abhilfe. Die Trittbugel schranken den ­Rampenwinkel ein, dienen aber auch als Schwellerschutz. Fazit: Robust, aber langst nicht perfekt.
Verschrankung Der erste Abschnitt ist nicht der Rede wert, 50 Punkte. Im zweiten Teil der Verschrankungsstrecke, wo die Modulationen wirklich heftig werden, gibt sich der Defender ebenfalls vollig unbeeindruckt. Zwar kann er, bedingt durch den kurzen Radstand, nicht immer alle Rader am Boden behalten, doch er lauft im ersten Gang mit Untersetzung und gesperrtem Verteiler­getriebe im Standgas einfach so durch. Die sensibel ansprechende Traktionskontrolle greift nur einmal ganz kurz ein. Seekrank wird man dank des weit federnden Fahr­werks nicht. Trotz der Trittstufen bewaltigt der Defender - auch hier dank des kurzen Radstands - sogar die steilste Kuppe der Test­strecke, ohne aufzusetzen. Eine nahezu fehlerfreie Darbietung.
Fahrwerk Der 90er benimmt sich ziemlich steif, das war schon auf den Verbindungsstrecken zwischen den Prufungen zu spuren. Speziell die Hinterachse ist unbeladen bretthart gefedert. Das bezieht sich ­allerdings in erster Linie auf den Fahrkomfort, denn im Gerollhang wirkt sich diese steife, beladungssichere Federauslegung nur marginal auf das Fortkommen aus. Bergab geht es im Schneckentempo im ersten Gang mit Untersetzung, nur kurz fluppt hinten ein Rad in die Hohe und lasst den Landy einen Wimpernschlag lang stolpern. Direkt gefahrlich wird es nie, denn er krallt sich sofort wieder ein. Bergauf ist echtes ­Kinder-Kino: Ersten Gang rein, die Untersetzung mit gesperrtem Zwischendifferential ist drin - einfach laufen lassen. Die Steuerelektronik halt die Maschine stoisch bei 1.000 Touren, und der Defender klettert unverdrossen - Fu? vom Gas! - ganz geruhsam nach oben. Die Traktionskontrolle kommt erst gar nicht ins Spiel. Und auch im zweiten Gang mit Untersetzung gibt es ­keine Probleme.
Steigfahigkeit Uberraschung! Da wei? man nicht direkt, was man davon halten soll, denn die Motorsteuerung des ­neuen Dieselmotors verhalt sich unkalkulierbar. Mal schraubt sie bei der Bergabfahrt die Drehzahl bis 2.500 Touren hoch, mal regelt sie wieder runter. Im selben Gang, in derselben Steigung. Das kann einen kleinen Adrenalinschub bei Steilfahrt bedeuten oder souveranes Fahrgefuhl. Bergauf nimmt der 90er die starksten ­Steigungen, jedoch mit leicht ­rutschenden ­Radern. Mit der Differentialsperre des Getriebes ist der Radschlupf weg. Ebenso bergab: Erst wenn die Sperre des Verteilergetriebes eingelegt wird, kommt der Defender in seinem superkurzen ersten Gang nicht mehr ins Rutschen. Der erste Gang ist im echten Gelande bei schlupfrigem Untergrund viel zu kurz, dort droht der Defender abzuschmieren. Der zweite Gang bietet sich kaum als Alternative an - er ist hierfur viel zu lang.
Handling Der Defender ist ein waschechter Offroader und kein Sportwagen. Entsprechend verhalt er sich bei der Fahrdynamik. Mehr zu erwarten, ware ubertrieben. Ubertrieben ist allerdings auch die extrem gedampfte Lenkung, die es schwer macht, den 90er wirklich punkt­genau zu bewegen. Die (nicht abschaltbare) Traktionskontrolle regelt forsch die Leistung runter. Es ist schon einige Kurbelei notig, um den Land Rover zum Drift zu uberreden, eigentlich benimmt er sich eher behabig. Mit dem Permanent-Allrad zeigt er sich von seiner Sonnenseite: auf Sand richtig gut und traktionsstark. Die stramme Federung macht dagegen nicht wirklich Spa? und lasst den ultrakurzen Briten ziemlich unbeholfen durch die Sandetappe stolpern. Seitenneigung? Na ja, Defender eben. Schon schrag. Standige Richtungswechsel mag er nicht, dann beginnt sich der 90er aufzuschaukeln. Mit ausreichend Zuladung ist die Federung hoflicher, die ­Seitenneigung aber starker.
Wat-Verhalten Freigegeben sind 50 Zentimeter, das ist gerade einmal Trittbrett­hohe. Sogar die Turen lassen sich da noch offnen, ohne nasse Fu?e zu bekommen. Entsprechend ist der halbe Meter kein Thema fur den Landy. Schwallwasser findet allerdings uber die Turdichtungen den Weg nach innen und nasst den Teppich ordentlich ein. Wer ofter baden geht, hat beim Defender die sehr elegante Moglichkeit, einfach einen Schnorchel an die seitliche Ansaugoffnung im Kotflugel zu montieren. Solange diese Ansaugoffnung allerdings serienma?ig so bleibt, sollten allzu heftige Wasserspiele unterbleiben, sonst droht ein Wasserschlag. Der im Vergleich zum Vorganger deutlich umfangreicheren Fahrzeug­elektronik macht der Tauchgang allerdings gar nichts aus.
Ubersichtlichkeit Keine vier Meter lang und trotzdem unhandlich wie ein Funfmeter-Pick-up: Der geringe Radeinschlag sorgt fur eifriges Gekurbel, an einem Tor muss sogar gleich zwei Mal rangiert werden. Eigentlich ist die Ubersicht uber die kantige Karosserie hervorragend. Ausgerechnet die B-Saule aber stort durch die neue, nach hinten geruckte Sitzposition: Da muss man sich schon kraftig nach vorn beugen, um daran vorbeipeilen zu konnen. Die klassischen Abmessungen - kurz, schmal und hoch - helfen naturlich dennoch, den ­Landy ohne anzuecken selbst im dichten Wald bewegen zu konnen. Der Defender 90 ist ein echter Forster-Freund.
Wendigkeit Er wuhlt und grabt sich vorwarts, wie das von einem Defender erwartet werden darf. Die Traktionskontrolle muss kaum eingreifen, das gesperrte Zentraldifferential ­genugt, um ausreichend Vortrieb im tiefen Gelauf zu erzeugen. Ein echter Wustenfuchs. Geht man es allerdings beim Anfahren etwas zu forsch an, bedankt sich der kurze Ninety mit wustem Trampeln des Fahrwerks, bis man Tempo rausnimmt. Wenig auszusetzen gibt es an der Spurhaltung, das anvisierte Ziel erreicht er ohne gro?e Lenkkorrekturen.
Traktion Hier hei?t es erst einmal ausprobieren, welcher Gang der richtige ist. Den Ersten in der Untersetzung kann man im Tiefsand getrost aus dem Repertoire streichen, da geht es nur nach unten, nicht nach vorn. Bei Sand wird ohnehin ublicherweise im Stra?engang gefahren, doch dafur ist wiederum der Sprung zwischen erstem und zweitem Gang zu hoch. Also Untersetzung und die Gange drei bis vier bemuhen, wenn es vorangehen soll. Im zweiten wird nur angefahren. Der Motor gibt sich kampferisch und baut richtig Druck auf, ohne dabei einen wenig hilfreichen, abrupten Leistungs­einsatz zu zeigen - so soll es sein. Durch das gut ansprechende Fahrwerk behalt der Permanent-Allrad die Situation fast allein im Griff. Die elektronische Traktionskontrolle muss nur ganz selten mit einem kurzen Bremseingriff helfen - zum Gluck, so geht nicht unnotig Kraft verloren. Den Sandhang sturmt der Defender lassig empor, und weil das fast langweilig wirkt, probieren wir es au?erhalb der Wer­tung einmal ruckwarts. Geht auch.
Es ist diesmal keine sanfte Evolution der Legende. Der neue, komplex-elektronisch geregelte Euro 4-Motor und das veranderte Getriebe er­fordern trotz nahezu gleicher Konstruktion einen anderen Umgang mit der Allrad-Ikone. Die Umweltstandards geschuldete Technik hat dabei speziell bei der Motorsteuerung nicht nur Vorteile. Dennoch gehort der Defender nach wie vor zu den gelandetauglichsten Fahrzeugen weltweit. So besteht er auch den Supertest souveran.

Das Dasein als Lieb­haberstuck und Kult-Vehikel ist nicht immer einfach - der Land Rover Defender wei? da einige Geschichten zu erzahlen. 2008 feierte er 60. Geburtstag, und immer wieder musste er sich der kriti­schen Musterung durch die Fans stellen. Das war bei der Umstellung von Blatt- auf Schrauben­federn so - obwohl er damals noch nicht Defender hie? -, eben­falls beim Wechsel vom seligen TDI-Diesel zum Pumpe-Duse-Motor im Td5 (den Landy-Puristen wegen seiner elektronischen Motorsteuerung seinerzeit als "Taschen­rechner" verulkten). Und es war auch diesmal - mit der wohl umfang­reichsten Uberarbeitung seit 1983, als die blattgefederte Serie III in Rente geschickt wurde - nicht leicht.


Es ist weniger die Form. Bis auf den Hugel auf der Motorhaube und die nur noch vorgepragten, aber nicht mehr ausgestanzten Offnungen der ehemaligen Luftungsklappen im Scheibenrahmen ist alles beim Alten geblieben. Einem unbedarften Nachbarn kann man auch mit dem Modelljahr 2010 den Baren aufbinden, dass dies lediglich ein besonders gut restaurierter Oldie aus den 70er-Jahren sei, keinesfalls ein Neuwagen. Der "Potenz­hugel" auf der Motorhaube ist dem Neuling darunter geschuldet: Der gute alte Td5, der im Defender seine letzte Zuflucht gefunden hatte, ist seit 2008 ­Geschichte. Seinen Part ubernimmt ein moderner Commonrail-Diesel. Der stammt von Konzernmutter Ford und ist dort eigentlich als Antrieb fur den Transporter Transit gedacht - ein echter Nutzfahrzeugmotor also.
Die Maschine baut insgesamt kurzer, aber hoher als der Td5. Deshalb die ausgebeulte Haube. Mit dem alten Funfzylinder wurde auch das ehrwurdige R380-Funfganggetriebe verabschiedet, das seit 1994 den Vortrieb im Defender (und im Discovery) ubernommen hatte. Es wird ersetzt durch das MT-82-Getriebe von Getrag, eine Sechsgang-Box, die ebenfalls aus dem Transit stammt und daher ohne viel Aufwand adaptiert werden konnte. Damit zieht allerdings auch ein etwas merkwurdiges Ubersetzungsverhaltnis ein, das uns im Verlauf des Tests noch mehrfach beschaftigen wird.
Im Alltagsbetrieb bringt diese Kombination fast nur Vorteile - vor allem bei der Lautstarke. Jetzt merkt man erst, welchen Anteil das alte Schaltgetriebe am allgemeinen Fahrlarm hatte. Der Motor selbst wirkt subjektiv nicht wesentlich leiser als der Funfzylinder-Vorganger, durch das weichere Verbrennungs­gerausch jedoch angenehmer im Klang. Neu ist au?erdem ein elektronisches Speedlimit, das auf der Autobahn beim Lkw-Uberholen bisweilen Nerven kosten kann. Mehr als 135 Stundenkilometer sind einfach nicht drin. Die Fahrleistungen des Testwagens liegen geringfugig unter denen ahnlicher Td5-­Modelle aus fruheren Tests. Der im Vergleich zum Vorganger mit 122 PS genauso starke Motor hat zwar 93 Kubikzentimeter weniger Hubraum, aber 60 Newtonmeter mehr Drehmoment. Dennoch standen die fruheren Td5-Testwagen generell besser im Futter als der noch flammneue Ninety, wie unsere Messwerte beweisen. Nicht zuletzt wirkt sich hier auch die geanderte Gangabstufung nachteilig aus. Durchzug und Beschleunigung waren beim Alten schlicht besser.
Im Offroad-Leben spielen beim Defender jedoch ein paar Sekunden mehr oder weniger kaum eine Rolle, da geht es um andere Charakterstarken. Und davon hat das neue Modelljahr nach wie vor reichlich. Denn in Sachen handfesten Gelandewagenbaus befinden sich nur noch ein paar starke Typen von Jeep, Mercedes und Toyota in Rufweite, die wie der Defender auf einen Leiterrahmen und zwei Starrachsen setzen - was in Bezug auf Haltbarkeit und Belastungsreserven nach wie vor das Optimum darstellt. Daran hat sich beim neuen Modell zum Gluck nichts geandert - bis auf ein paar Details der Komponentenbefestigung, die beim Unterbodencheck verwundern.
Die Bauweise mit Starrachsen und Schraubenfedern schafft uberdies eine ausgezeichnete Verschrankung und gleichbleibende Bodenfreiheit unter den Differentialen. Entsprechend ­herausragend bewahrt sich der Land Rover Defender 90 in der Verschrankungsbahn und bei forcierter Fahrweise auf dem Gerollhang. Dort macht sich auch der extrem kurz ubersetzte erste Gang bemerkbar und fuhrt in den Steilhangdisziplinen zu gro?em Umdenken. Der Grund liegt in der Gangspreizung: Als waschechtes Transportergetriebe ist das MT-82 branchenublich eigentlich als 5+1-Schaltbox ausgelegt, mit ­extrem kurzem ersten Gang zum Anfahren bei schwerer Beladung, womoglich mit vollgepacktem Hanger - ein Transit hat schlie?lich keine Untersetzung.
In Zahlen liest sich das so: Was beim alten Getriebe der vierte Gang war (mit direkter 1:1-Ubersetzung), ist nun der funfte. Der angebliche Schongang der neuen Sechsstufen-Box ist mit 0,74 : 1 nur um Nuancen langer ubersetzt als der funfte Gang des alten R380-Getriebes (0,77 : 1). Dafur hat es der Erste in sich: Mit 5,44 : 1 ist er kurzer als so ziemlich alles, was sich sonst noch im Gelandewagensektor finden lasst. Die so erreichbare Gesamtubersetzung im ersten Gang mit Gelandereduktion: 62,96:1! Der Vorganger kam auf einen ­(eigentlich hervorragenden) Wert von "nur" 43,4:1.
Diese ganze Zahlenakrobatik ­bedeutet in der Praxis, dass der Defender im ersten Gang wie ­eine Berg­ziege uber Felsen ­klettert. Aber auch, dass man das Wort "Anlauf" in Stufe 1 ­getrost vergessen kann. Und dass zwischen erstem und zweitem Gang eine riesige Lucke klafft, die in der Praxis kaum zu uberbrucken ist. Das fordert sowohl Landy-Einsteiger als auch die alten Hasen im Gelande richtig heraus. Denn die bisherige Fahrweise ist mit dem neuen Getriebe nicht mehr kompatibel.

Hurrarufe gibt es fur den kurzen Ersten naturlich in der Trial-Sektion, wo der 90er im Schneckentempo durchkriecht - da konnte man geradezu rausspringen und gemutlich nebenher schlendernd von au?en die Lage peilen. Geblieben ist es dagegen beim gruseligen Wendekreis als Folge des Fahrwerks: Im Gegensatz zu einer Einzelradaufhangung ­limitieren die Langslenker der Starr­achse den Radeinschlag. Deshalb bleibt auch der neue ­Defender 90 trotz nur 3,90 Meter Lange ein verbluffend unhandliches Fahrzeug.
Das neue Getriebe wirkt sich naturlich ebenfalls auf die weiteren Testprogramme aus, zum Beispiel auf die Disziplinen Lockersandstrecke oder Sandhang. Von geubten Gangschemata, hundertfach mit dem Vorganger offroad erprobt, kann man sich verabschieden. Deshalb kraxelt der neue Defender nicht schlechter durchs Gelande als der bisherige, ganz im Gegenteil. Man muss ihn nur erst kennenlernen. Denn trotz des vertrauten Au?eren ist er charakterlich ein neues Auto. Lediglich ein paar kleine Schwachen hat er beibehalten: Der Fahrer sitzt auf den neuen Mobeln zwar anders, aber nicht minder merkwurdig als zuvor. Und starke Regen­gusse vertragt auch er nicht. Es ist also wie eh und je genug Authentizitat im Spiel.

Reihenmotor 4 Zylinder Abgasturbolader mit Schraubenfedern, Sto?dampfern / mit Schraubenfedern, Sto?dampfernBremsdurchmesser (vorn/hinten) 0-100 km/h
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